5. Aufsichtsratstag des AdAR am 21. September 2016 in Frankfurt

Zum fünften Mal lud der Arbeitskreis deutscher Aufsichtsrat zum Frankfurter Aufsichtsratstag ein und konnte so ein kleines Jubiläum feiern. Am Vorabend fand sich dazu die erste Gelegenheit beim Dinner im Steigenberger – Frankfurter Hof, das neben hervorragendem Rehrücken kurzweilige Ergänzung durch die Keynote von Prof. Dr. Dr. hc mult. Peter Hommelhoff und einen After-Dinner-Dialog mit Daniela Mattheus von EY zu den 8 Leitsätzen für den Dialog zwischen Investor und Aufsichtsrat fand.

Der 5. Frankfurter Aufsichtsratstag des AdAR stand unter dem Motto: „Der ‚operative‘ Aufsichtsrat – Ideal oder Irrweg?“ In der beeindruckenden Kulisse des ehemaligen Refektoriums des Karmeliterklosters mitten in Frankfurt trafen sich ca. 100 Aufsichts- und Verwaltungsräte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Nach der Eröffnung durch Prof. Dr. Stefan Siepelt, geschäftsführender Vorstand von AdAR gestaltete Prof. Dr. Barbara Grunewald, Universität Köln den Auftakt mit dem Vortrag „Der Aufsichtsrat in der Verantwortung- wer handelt, der haftet?“ Nach der Einführung in die gesetzlichen Grundlagen zur Rolle des Aufsichtsrats behandelte sie im Einzelnen:

1. Geschäftsführungsverbot und Zustimmungsvorbehalte
2. Einwirkung auf die Geschäftsführung durch Vergütungssysteme
3. Delegation von Aufgaben durch den Vorstand an den Aufsichtsratsvorsitzenden
4. Kontakte mit Investoren

Professor Grunewald war besonders wichtig, die Grenzen bei Gesprächen mit Investoren herauszuarbeiten, insb. bezüglich der drei Kernpunkte Insiderproblematik, Verschwiegenheitspflichten und Gleichbehandlung der Aktionäre. Schließlich stellte sie heraus, dass der Aufsichtsrat ordentlich und gewissenhaft zu arbeiten habe und nur bei schuldhaften Verletzungen haften würde. Die Business Judgement Rule sah die Aufsichtsräting von Evonik im Grundsatz zur Entlastung des Aufsichtsrats bei Zustimmungsvorbehalten, bei Investorgesprächen und bei Vergütungssystemen gegeben.

Dr. Manfred Gentz, Vorsitzender der Regierungskommission DCGK, war wie im Vorjahr wiederum persönlich bekommen, um den Rahmen des Themas aus Sicht des Corporate Governance Kommission aufzuspannen. Er beleuchtete die Aufgabentrennung von Vorstand und Aufsichtsrat ebenso wie die Zusammenarbeit bei Strategie und Rechnungslegungsprozess, insb. auch im Kontakt mit der zweiten Ebene unter dem Vorstand.

Auf die Grundsatzfrage, ob das dualistische System ausgedient hätte, plädierte der ehemalige Finanzvorstand der Daimler-Chrysler AG für eine Trennung von Exekutive und Überwachung – dies sichere Unabhängigkeit, Unbefangenheit und einen ‚unverstellten Blick‘.

Auf die spannende Frage, was aktuell auf der Agenda der Kommission stünde, verriet Dr. Gentz nur drei Punkte:

  • Feststellung: Wir beurteilen nicht das Verhalten von Unternehmen in Deutschland, Fehlverhalten wird allerdings analysiert.
  • Frage: Sollten wir mehr auf Verhaltensgrundsätze hinweisen?
  • Frage: Darf Aufsichtsratsvorsitzende mit institutionellen Investoren sprechen?

Prof. Dr. Burkhard Schwenker, Aufsichtsratsvorsitzender von Roland Berger, setzte vor der Mittagspause als Mathematiker und Betriebswirtschaftler einen ersten Kontrapunkt und ging auf die gängige Praxis der bisher diskutierten Punkte ein.

Der akademische Leiter des HHL Center for Scenario Planning an der Handelhochschule Leipzig startete mit der heutigen Herausforderung der Ungewissheit von Entscheidungen. Der frühere Normalzustand sei gewesen, dass mehrere Ereignisse möglich sind und nach einer Wahrscheinlichkeitserechnung hätte man eine Entscheidung getroffen. Heute könnten allerdings Eintrittswahrscheinlichkeiten nicht mehr berechnet werden und Bedrohungen wären nicht leicht erkennbar, wie bspw. bei den Themen Atomausstieg, Digitalisierung, Ölpreis, Russland, Brexit, Flüchtlingskrise u.v.m.. Strategische Planungsinstrumentarien seien wird nicht mehr anwendbar, Berechnungen von Cashflows und Wachstumsraten nicht mehr sicher und die Schlussfolgerungen für die Abgrenzung von Geschäftsfeldern nicht eindeutig.

Professor Schwenker ließ die Frage folgen, ob Big Data Algorithmen, keine mittel- und langfristigen Festlegungen oder gar Regulierung und gesetzliche Regelungen gelungene Alternativen wären. Er plädierte dafür, Strategie als Denkhaltung und nicht als Instrumentarium zu verstehen: „Strategie gibt Orientierung und übernimmt eine wichtige Rolle in der Führung von Unternehmen.“ Zudem stellte er klare Forderungen an erfolgreiche Strategieprozesse:

  • Nicht immer am gleichen Ort zur gleichen Zeit mit den gleichen Leuten
  • Einsatz von Szenarioplanung
  • Bei der Umsetzung nicht hinter Kennzahlen und KPIs verstecken

Er ergänzte: „Strategie ist dann gut, wenn sie Ungewissheit akzeptiert, kritisch ist und tief geht, neue Szenarien entwickelt werden und Mut beweist.“ So seien Persönlichkeiten und nicht Technokraten, sondern bunte, kreative Typen gefragt – was auch für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gelte.

Die anschließende Diskussion zu ‚Aufsichtsrat und Strategie‘ moderierte Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, Universität Köln, neben Prof. Dr. Burkhard Schwenker schmückten Prof. Dr. Michèle Sütter-Rüdisser, Universität St. Gallen, Prof. Dr. Suanne Kalss, Universität Wien sowie Prof. Dr. Dr. hc mult Peter Hommelhoff das Diskussionspanel.

Prof. Dr. Michèle Sütter-Rüdisser machte am Titel des AdAR Organs ‚BOARD – Zeitschrift für Aufsichtsräte‘ deutlich, dass Sprache auch unser Denken beeinflusse und sah eine Gefahr der Verwässerung von Verantwortlichkeiten. Prof. Dr. Suanne Kalss betonte, dass insb. bei zustimmungspflichtigen Geschäften ein hoher Zeitbedarf entstünde und man sich Zeit lassen müsse, bis alle zufrieden sind. Dafür reiche oft eine Sitzungsfrequenz von 4 x im Jahr nicht aus und man müsse über die Reduzierung der Anzahl der Mandate nachdenken. Prof. Dr. Dr. hc mult Peter Hommelhofflegte erneut seine Sicht der klaren Aufgabenverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat dar. Mit seinem Apparat wäre es klare Aufgabe des Vorstands, Szenarien zu entwickeln.

Prof. Dr. Burkhard Schwenker verwies auf die zentrale Rolle des Aufsichtsrats bei der Besetzung des Vorstands, hier sei vor allem Führung mit Vision notwendig. Neben seinen Forderungen an erfolgreiche Strategieprozesse hielt er es für besonders wichtig, dass ein strategischer Dialog zwischen Aufsichtsrat und Vorstand stattfinde, ob die gesetzten Planungsparameter noch richtig seien. Dafür sei ein professionelles Monitoring wichtig, auch unter Einbeziehung des Aufsichtsrats. Man müsse Ungewissheit akzeptieren, sich häufiger treffen und der Aufsichtsrat müsse den Vorstand challengen können. In der Konsequenz bedeute dies allerdings für die Aufsichtsräte Flexibilität und weniger Mandate.

Nach der Mittagspause und einem kurzen Werbeblock von Dilligent Boardbooks zu einem digitalen Board-Portal, das Aufsichtsräten bzgl. Schnelllebigkeit, Datensicherheit, Compliance, Internationalität und steigender Transparenz Unterstützung bieten kann, ging es in den Endspurt.

Daniela Mattheus, Partnerin von EY, die schon am Vorabend über die Leitsätze zum Investorendialog gesprochen hatte, erläuterte die Initiative Developing Shareholder Communication, an der Unternehmen DAX 30, Investoren DAX 30, Wissenschaft, Verbände & Organisationen, Regulator und Governance / IR Experten  beteiligt waren. Die Ziele sind dabei, eine informierte Diskussion über die Kommunikation von Aufsichtsräten mit Investoren anzustossen, Erwartungungsmanagement für Investoren zu betreiben, was in deutschen Unternehmen möglich ist sowie über die sich entwickelnde Praxis des Dialogs zu informieren. Die 8 Leitsätze für den Dialog zwischen Investor und Aufsichtsrat behandeln im einzelnen:

  • Leitsatz 1: Initiative und Themen
  • Leitsatz 2: Zusammensetzung und Vergütung des Aufsichtsrats
  • Leitsatz 3: Binnenorganisation und Überwachungsprozess
  • Leitsatz 4: Vorstandsbestellung, -abberufung und -vergütung
  • Leitsatz 5: Strategieentwicklung und -umsetzung
  • Leitsatz 6: Abschlussprüfer
  • Leitsatz 7: Beteiligte
  • Leitsatz 8: Ausgestaltung

Marc Tüngler, geschäftsführender Vorstand AdAR und Hauptgeschäfsführer DSW, führte in gewohnt kurzweiliger und pointierter Art durch die abschließende Diskussion mit Daniela Mattheus sowie Dr. Hartmut Schenk, Aufsichtsratsvorsitzender freenet AG und Prof. Christian Strenger, Multiaufsichtsrat und seit ihrer Einsetzung 2001 bis Ende Februar 2016 Mitglied der Regierungskommission „Deutscher Corporate Governance Kodex“. Das Thema Investorendialog wurde durch zahlreiche Wortmeldungen aus dem Publikum und kompetente Antworten der Podiumsmitglieder abgeschlossen.

Alles in allem ein gelungenes 5-jähriges Jubiläum der Frankfurter Aufsichtsratstage des AdAR mit wiederum geballter Informationsfülle, angenehm offener und kollegialer Atmosphäre und immer guter Stimmung!